Am 31.05.2016 fand die Tagung des Gunda-Werner-Instituts “Gegner*innenaufklärung – In-formationen und Analysen zu Anti-Feminismus” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wurden mehrere Tagungsberichte von Stipendiat_innen der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.
Nachdem am Vormittag zunächst Antifeministische und rechtspopulistische Strömungen und Gruppierungen benannt, sowie in ihrem Auftreten und ihren Zielen analysiert wurden, ging es bei den Workshops am Nachmittag um die Frage nach einer möglichen Gegenstrategie.
Im Workshop „Strategien im Umgang mit Rechtspopulist*innen und extremen Rechten“ referierte Juliane Lang vom 'Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus'. Mit einem 20-minütigen Inputreferat eröffnete Lang die Veranstaltung und schloss dabei inhaltlich teilweise an Informationen und Erkenntnisse der vorherigen Veranstaltungen an, präzisierte diese jedoch bezüglich einer Differenzierung der 'Alternative für Deutschland' (AfD) von klar als neonazistisch zu erkennenden Gruppierungen.
Dabei vertrat Lang die Meinung, dass die Gefährlichkeit der AfD aus ihrem Andockungspotenzial bis in weite Teile der bürgerlichen Mitte hinein resultiere. Während klar zu erkennende neonazistische Gruppen im öffentlichen Raum meist isoliert würden, könne die AFD mit ihrer populistischen Agitation in viele Bereiche der Gesellschaft hineinwirken. Zu erkennen sei dies auch am bisher mangelnden Erfolg antifaschistischer und antifeministischer Interventionen. Während Beispielsweise neonazistische Demonstrationen durch breite Bündnisse von Parteien über Antifa-Gruppen und zivilen Organisationen bis hin zur Kirche verhindert werden könnten, gelänge dies im Kontext Rechtspopulismus und AFD nur bedingt. Für eine erfolgreiche Intervention bedürfe es daher einer guten Analyse und Auseinandersetzung mit den Zielen der AfD.
Juliana Lang beschrieb die Partei als eine gut vernetzte Akteurin, welche zunehmend auf antifeministische Ressentiments setzte. Dies zeige sich zum einen mit Blick auf ihr Parteiprogramm (Forderung nach Abschaffung der Gender-Studies, Ende der „Benachteiligung von Männern“, heteronormatives Familienbild, „Geschlecht ist keine geisteswissenschaftliche Kategorie“ [Parteiprogramm der AfD Sachsen-Anhalt]), aber auch bezüglich ihrer Kooperationen und Netzwerke. So seien viele Überschneidungen, sowohl inhaltlich als auch personell, mit Organisationen der 'neuen Rechten', als auch christlich-fundamentalistischen Gruppierungen zu erkennen. Als Beispiel könne dabei das Engagement und Mitwirken Beatrix von Storch beim „Marsch für das Leben“ in Berlin und bei der „Demo für alle“ in Stuttgart genannt werden. Neben einer klar zu erkennenden rassistisch-völkischen Einstellung der AfD sei daher auch eine antifeministische Positionierung zu erkennen.
Dies unterscheide sie von klar neonazistischen Gruppen und mache sie umso gefährlicher. Zwar sei bei rechtsradikalen Gruppierungen wie der NPD auch ein ausgeprägter Antifeminismus zu erkennen, allerdings würde dieser eher völkisch/rassistisch geäußert und weniger explizit antifeministisch. In diesem Kontext sei eine Resignation in der rechten Szene zu erkennen und ein Anbiedern an rechtspopulistische Strömungen. Beispielsweise rufe die NPD dazu auf bei Wahlen NPD und AfD zu wählen.
Juliane Lang rief in diesem Kontext dazu auf, Antifaschismus und Antifeminismus zusammen zu denken. Die AfD als antifeministische Akteurin wahrzunehmen, sei ihr nach bisher ein Problem in der Linken. Dies lasse sich auch in dem oft zu hörenden Argument erkennen, die AfD habe ja so viele Frauen an der Spitze. Dabei sei zu betonen, dass Frauen genauso rassistische und antifeministische Positionen vertreten könnten wie Männer. Sie müssten daher auch als politische Subjekte wahrgenommen werden – positiv wie negativ.
Zum Ende ihres Input-Vortrages resümierte Juliane Lang, dass es wichtig sei der AfD den Resonanzraum zu entziehen und sie aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen – ähnlich wie bei dem Diskurs um den Fußballnationalspieler Boateng geschehen. Dies sei in der Praxis jedoch schwierig, da die AfD und die Thematiken die sie vertrete einem gesellschaftlichen Diskurs entspringe – dh.: die Ressentiments der AfD entstehen nicht allein durch sie, sondern sind in weiten Teilen der Bevölkerung zu finden.
Der Feminismus müsse inhaltlich wieder von Feminist*innen gefüllt werden – bisher seien die Definitionen von Geschlecht und Feminismus gesellschaftlich sehr dominiert durch Vorstellungen der AfD.
Im Anschluss an diesen Vortrag sollten sich die Teilnehmenden in kleinen Gruppen zusammenfinden und über mögliche Strategien gegen Rechtspopulismus und Antifeminismus diskutieren. Die Ergebnisse der Gruppen wurden im Anschluss vorgestellt.
Vorgetragen wurde zunächst die vorsichtige Forderung nach einem „linken Populismus“. Diese Überlegung folgte aus der Erkenntnis, dass rechtspopulistische Argumentationen meist sehr inhaltsleer und dafür umso emotionaler und populistischer geführt würden. Daher sei, so die Überlegung, eine konstruktive und sachliche Auseinandersetzung oft nicht möglich und auch nicht sinnvoll, da teils genau das Gegenteil, nämlich die Vereinnahmung der Menschen durch rechte Ressentiments, gefördert werde. Man müsse sich aus der eigenen intellektuellen/links-liberalen Blase lösen und versuchen emanzipatorische Forderungen in weite Teile der Gesellschaft zu vermitteln. Der Strategie der AfD, auf soziale Probleme in der Gesellschaft, einfache bzw. populistische Antworten zu geben, müsse mit einer barrierearmen, gut zu verstehenden Analyse der Gesellschaft begegnet werden. Es müsse vermittelt werden, warum die Auseinandersetzung mit Geschlecht und Patriarchat, beispielsweise im Rahmen des Schulunterrichts, sinnvoll und für alle bereichernd sei, oder warum die Feind*innen und Störenden des sozialen Friedens nicht Geflüchtete sondern der Kapitalismus und daraus resultierende Soziale Problemlagen sein. Ob dies als „linker Populismus“ bezeichnet werden könne bleibt fraglich, da es ja nicht darum gehe inhaltsleere, polemisch und emotional aufgeladene Rhetorik aus linker Perspektive zu führen, sondern darum, mitnehmende und für möglichst viele Menschen verständliche Sprache zu benutzen.
An diese Forderung dockten Vorschläge zur Demokratisierung der Gesellschaft als Prävention gegen Rechte Ressentiments und Menschenverachtende Einstellungen, beispielsweise durch politische Bildung, an.
Uneinigkeit bestand bei der Frage, ob es sinnvoll sei Dialoge mit Akteur*innen rechtspopulistischer Parteien zu führen. Einerseits könne es zielführend sein, durch die dialogische Auseinandersetzung die Positionen der AfD zu verdeutlichen und sie somit zu entlarven, andererseits bekäme sie gerade dadurch gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Andere Personen vertraten die Meinung, dass nicht die AfD an sich ausgegrenzt werden dürfe, sondern die dahinter stehende Ideologie, welche Ausdruck eines gesellschaftlichen Zustandes sei. Der Streitpunkt verdeutlichte die Schwierigkeit und Unsicherheit, wie mit der AfD und Populismus im allgemeinen umzugehen sei. An dieser Stelle wurde eingeworfen, dass dies auch eine historische Kontinuität sei: Während Linke Akteur*innen in der Geschichte meist gute und treffende, aber eben auch sehr rationale und sachliche Analysen der Gesellschaft und ihrer Problemlagen träfen, würden Rechte sehr bildhafte, plakative und einfache Lösungen propagieren.
Ein weiterer Streitpunkt war die Frage nach den Ursachen des Erfolges, bzw. der gesellschaftlichen Grundlage. Teils wurde die Meinung vertreten, dass Soziale Ungleichheiten Ressentiments verstärken würden, d.h.: Rechtes Gedankengut oft korreliere mit sozialer Marginalisierung. Dem wurde entgegengeworfen, dass zahlreiche Studien aufzeigen würden, dass Menschenverachtende Einstellungen, wie Rassismus oder Sexismus, kein Alleinstellungsmerkmal prekarisierter Milieus seien, sondern in sämtlichen Teilen der Gesellschaft zu finden sein.
Unabhängig von der Frage nach den Ursachen ist festzuhalten – und das stellte für mich persönlich auch die Essenz des Workshops dar – dass Rechtspopulismus und Antifeminismus ein gefährliches Phänomen in der modernen Gesellschaft darstellen. Diesem ist – wie Juliane Lang zum Ende betonte – vor allem mit Solidarität zueinander zu entgegnen. Statt sich gegeneinander auszuspielen, müssen sich marginalisierte Gruppen und Unterstützer*innen verbinden und verbünden. Strukturkategorien müssen daher theoretisch wie praktisch zusammen gedacht werden, um der AfD den gesellschaftlichen Boden zu entreißen.